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Insolvenz Reederei Hanjin: Rechtliche Überlegungen zur Vertragserfüllung und zum Versicherungsschutz

Überkapazitäten, schwächelnder Welthandel und die Fälligstellung von Fremddarlehen führten zur Insolvenz einer der größten Reedereien der Welt, nämlich der Hanjin Shipping Co. Ltd.

Am 31.08.2016 wurde Insolvenzantrag bei dem zuständigen Bezirksgericht in Seoul gestellt, ein neuer Rettungsplan soll bis November 2016 vorgelegt werden. Der Insolvenzantrag führte dazu, dass bis zum 08.09.2016 89 von Hanjin betriebene Containerschiffe und Massengutfrachter in 26 Ländern die Zufahrt zu Häfen oder das Anlegen in Terminals aus Sorge verweigert wurde, dass Hafengebühren etc. nicht mehr bezahlt werden. Aktuell spitzt sich die Versorgungslage (Treibstoff, Lebensmittel, Hygiene etc.) auf etwa 70 Schiffen der Reederei zu, die keine Häfen anlaufen können. Obhut, Risikovorsorge für die in den Containern gelagerten Waren sind ebenso ungeklärt und ungeregelt, wie der Zugriff auf die Ware selbst.

Wechselseitige Ansprüche der Spediteure zu ihren Auftraggebern und zur Hanjin Shipping Co. Ltd.

  1. Zahlungsansprüche für Frachtkosten, Liegegebühren, Umschlag, die Hanjin Shipping Co. Ltd. gegen den auftraggebenden Spediteur geltend macht, sind zu bezahlen; dabei ist sicher zu stellen, dass die Zahlung  an den Berechtigten mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt und an den Berechtigten, also an den Insolvenzverwalter bezahlt wird. Je nach Einzelfall sind Zurückbehaltungsrechte des Spediteurs, Aufrechnungslagen (Fracht gegen Verzögerungsschaden) gegeben. Dies ist stets Einzelfallabhängig zu überprüfen.
  2. Der Spediteur ist (zu fixen Kosten, im Rahmen einer Sammelladung, im Multimodaltransport etc.) vertraglich gegenüber dem Warenversender (Auftraggeber) verpflichtet. Kann die Hauptleistungspflicht (Transport zum Ablieferungsort) nicht erfüllt werden, entstehen zahlreiche Nebenpflichten des Spediteurs gegenüber dem Warenversender (Auftraggeber) wie Informationen zum Ort des Gutes, alternativen Handlungsmöglichkeiten, evtl. Risikominimierung für Güterschäden, Hinweispflichten, um das Interesse des Auftraggebers an seinem Eigentum zu sichern. Dies ist Einzelfallabhängig. Die Erfüllung der vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten hat der Spediteur zu dokumentieren und nachzuweisen. Ein besonderes Problem sind verderbliche Waren, Saisonwaren bzw. sog. Kühlgut- und Trockentransporte.

Grundsätzlich haftet der Spediteur für Verluste oder Beschädigung von Gütern wie ein Frachtführer nach seerechtlichen Bestimmungen des HGB’s (Fixkosten-, Sammelladungsspediteur, Multimodaltransport etc.). Die Frage ist – aktuell nicht zu beantworten, im einzelnen Tatfrage -, ob der sog. Spediteurfrachtführer nur für das Auswahlverschulden der ordnungsgemäßen Beauftragung der Hajin Shipping Co. Ltd. haftet oder ob er dieselben Rechte und Pflichten wie die Hajin Shipping Co. Ltd. hat. Das Auswahlverschulden ist schon deshalb problematisch zu bewerten, da ein Tochterunternehmen der Hajin Shipping Co. Ltd. (die Senator Lines, eine deutsche Reederei), im Februar 2009 insolvenzreif war.

Versicherungsschutz: Verkehrshaftungsversicherung und Warentransportversicherung

  1. Die Verkehrshaftungsversicherung des Spediteurs (Fixkosten-, Sammelladungs- und Multimodalfrachtführer) deckt – je nach Umfang und Regelungen in den Einzelpolicen –  die Haftungsfreistellung der beauftragten Spediteure. Grundsätzlich bleibt der Spediteur (Fixkosten-, Sammelladungs- und Multimodaltransporteur etc.) seinem Auftraggeber (Warenversender) zur Vertragserfüllung verpflichtet. Ob im Einzelfall sog. tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeiten vorliegt, ist deshalb abschließend und einzelfallabhängig nicht zu bewertbar.
  2. Der Warenversender meldet den Schaden direkt oder über seinen Makler beim Warentransportversicherer. Die Policen (Versicherungspolice oder Maklerpolice) beinhalten unterschiedliche Deckungsregelungen für den Fall der Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungsverzug des Reeders, Charterer oder Betreiber des Schiffes oder sonstiger finanzieller Auseinandersetzung mit diesen. Grundsätzlich ist die Insolvenz des Reeders in der Warentransportversicherung nicht mitversichert.

Deckung besteht jedoch in folgenden Fällen:

–          sog. „volle Deckung“ also Allgefahrendeckung. Dort besteht Versicherungsschutz für Güterschäden bedingt durch eine zeitlich verzögerte Auslieferung (Sachschaden).

–          Ist eine sog. Güterfolgeschadenklausel vereinbart, so besteht Versicherungsschutz (Einzelfallabhängig) für Folgeschäden, die durch die verspätete Auslieferung begründet sind, wie z.B. innerer Verderb oder saisonbedingte Entwertung.

–          Ist eine sog. Vermögensschadensklausel vereinbart, sind Vermögensschäden – limitiert – gedeckt, sofern es zu einer zeitlich verzögerten Auslieferung der Ware kommt.

Stuttgart, den 16.09.2016

Rechtsanwalt Dr. Reinhard Th. Schmid

Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht