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Neues zum Insolvenzrecht: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt keinen wichtigen Grund für die Kündigung eines Werklieferungsvertrages dar, der die Vergütungsansprüche des Unternehmers ausschließt

Neue Entscheidung zu Thema Insolvenzrecht zum Thema Kündigung Werklieferungsvertrages:

Ein Werklieferungsvertrag kann nicht außerordentlich mit der Begründung der Insolvenzeröffnung gekündigt werden, um die Vergütungsansprüche des Unternehmers auszuschließen.

Der Entscheidung des BGH vom 14.09.2017, Az. IX ZR 261/15 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die spätere Insolvenzschuldnerin hat sich in einem Rahmenvertrag mit dem Besteller über die Lieferung bestimmter Waren verpflichtet. Nach Insolvenzantragstellung hat der vorläufige Insolvenzverwalter die weitere Belieferung von einem Preisaufschlag abhängig gemacht. Im weiteren Verlauf kam es zu unterschiedlichen Auffassungen über die getroffenen Vereinbarungen. Nach Insolvenzeröffnung ging dem Insolvenzverwalter die Mitteilung des Kunden zu, dass er die Geschäftsbeziehung nicht weiter fortsetzen wolle. Dies wurde von dem Insolvenzverwalter als Kündigung des Werklieferungsvertrages gemäß § 649 BGB aufgefasst. Er machte gegenüber dem Kunden daraufhin den vereinbarten Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen gemäß § 649 S. 2 BGB geltend. Der beklagte Kunde/Auftraggeber war indes der Auffassung, dass ihm ein Recht zur fristlosen Kündigung des Werklieferungsvertrages wegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 314 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zusteht und daher keine Vergütungsansprüche mehr bestehen. Der BGH gab indes wie auch die Vorinstanzen dem Insolvenzverwalter Recht.

Zunächst stellt der BGH fest, dass es sich bei dem Werklieferungsvertrag um einen sogenannten gegenseitigen Vertrag gemäß § 103 InsO handelt, der im Zeitpunkt der Eröffnung weder von der Insolvenzschuldnerin noch dem beklagten Kunden vollständig erfüllt worden ist. Dem Insolvenzverwalter steht daher die Möglichkeit zu, die Erfüllung des Vertrages zu verlangen oder die Erfüllung des Vertrages abzulehnen.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte zunächst auf den Bestand und den Inhalt des Werklieferungsvertrages keinen Einfluss. Er blieb in der Lage bestehen, in welcher er sich bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befunden hat.

Gleichwohl besteht das Kündigungsrecht des Kunden/Auftraggebers gemäß § 649 BGB auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Im entschiedenen Fall hat der BGH eine wirksame Kündigung gemäß § 649 BGB erkannt. Diese war auch nicht unwirksam aufgrund einer Erfüllungsablehnung gemäß § 103 InsO durch den klagenden Insolvenzverwalter. Ein diesbezügliches Recht zur Erklärung gemäß § 103 InsO steht dem Insolvenzverwalter erst nach Insolvenzeröffnung zu. Eine derartige Erklärung hat der Insolvenzverwalter jedoch vorliegend nicht abgegeben.

Der BGH hat allerdings eine Kündigung wegen eines wichtigen Grundes gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB nicht festgestellt. Auch lehnt der BGH eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 649 BGB ab. Eine solche sei nach dem gesetzlichen Wortlaut nicht vorgesehen. Zwar sei der Auftraggeber eines Werkvertrages berechtigt, den Vertrag zu kündigen, wenn durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers der Vertragszweck so gefährdet sei, dass der vertragstreuen Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Wenn sodann der Besteller aus wichtigem Grund kündigt, entfällt auch der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers gemäß § 649 S. 2 BGB für noch nicht erbrachte Leistungen.

Der BGH stellt insoweit klar, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die hier zum Anlass für die Kündigung genommen worden ist, keinen wichtigen Grund für die Kündigung eines Werklieferungsvertrages in der Insolvenz darstellt. Hieran ändert auch nichts, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beklagte/Kunde keine Sicherheit mehr darüber hatte, ob der Insolvenzverwalter den Werklieferungsvertrag noch erfüllen wird oder nicht. Zwar kann der Kunde nur den Insolvenzverwalter auffordern, gemäß § 103 Abs. 2 S. 2 InsO sein Wahlrecht auszuüben. Auch das Risiko einer verzögerten Entscheidung über die Erfüllung des Werklieferungsvertrages berechtigt jedoch keine Kündigung aus einem wichtigen Grund. Der BGH stellt insoweit klar, dass das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO nicht durch eine Kündigung aus wichtigem Grund umgangen werden könne.

Der klagende Insolvenzverwalter konnte daher die gesamte Werklohnvergütung unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen gemäß § 649 S. 2 BGB verlangen.

Markus J. Schneeberger
Fachanwalt für Insolvenzrecht